Wiener Linien

Personalmangel: Senioren als Straßenbahner gesucht

Heuer brauchen die Wiener Linien rund 230 neue Fahrer – doch Arbeitszeiten und Schichtdienst schrecken viele ab. Nun will man pensionierte Fahrer zum Wiedereinstieg motivieren.
„Fühlen Sie sich fit und motiviert, gemeinsam mit uns Wien weiterhin mobil zu halten?“ Es ist ein ungewöhnlicher Brief, den zahlreiche ehemalige Mitarbeiter der Wiener Linien in den vergangenen Tagen erhalten haben.
Im Schriftstück, unterzeichnet von Geschäftsführerin Alexandra Reinagl, ist die Rede von einer „herausfordernden Personalsituation“ und der Bitte, dass man dem Betrieb im Fahrdienst „tatkräftig unter die Arme greifen“ solle. Und es folgt ein Satz, der sich mit etwas Pathos an jene ehemaligen Mitarbeiter richtet, die die Wiener Linien „viele Jahre mit Herzblut und Engagement begleitet“ haben: „Wien braucht Ihren Einsatz im Straßenbahn- oder Busbetrieb.“
Dass die Wiener Linien mit Personalnot kämpfen, war für Fahrgäste in den vergangenen Wochen und Monaten schon recht klar erkennbar. Immer wieder fielen Züge aus, war in der Wien-Mobil-App davon die Rede, dass eine Linie „derzeit in beiden Richtungen nur unregelmäßig fahren“ könne. Und das eben nicht nur wegen Unfällen oder Bauarbeiten – sondern weil schlicht zu wenig Fahrer zur Verfügung standen, um alle Kurse zu besetzen.
Im Frühjahr musste man sogar für einige Wochen in den Ferienfahrplan schalten – damals vor allem wegen vermehrter Krankenstände durch Omikron. Doch das Virus verschärfte nur ein Problem, mit dem sich die Wiener Linien auch ganz ohne Krankenstände konfrontiert sehen.

„Babyboomer in Pension“

„Die Babyboomer gehen langsam in Pension“, sagt Sprecherin Lisa Schappelwein. Heuer beginne eine große Pensionierungswelle – etwa 600 Mitarbeiter gehen in Pension. Und in den kommenden Jahren werden noch mehr den Ruhestand antreten: „Da steht ein Generationenwechsel bevor.“
Doch nicht nur wegen der Pensionierungen braucht man mehr Personal, sondern auch noch aus anderen Gründen. So sollen etwa Intervalle verdichtet werden und in den kommenden Jahren auch neue Linien in Betrieb gehen. „Wir wollen heuer 900 Mitarbeiter aufnehmen“, sagt Schappelwein. Allerdings nicht nur für den Fahrdienst – hier sollen insgesamt 230 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazukommen. Je 80 für Straßenbahn und Bus, etwa 60 für die U-Bahn.
Allein, der Andrang reicht nicht aus. „An der Anzahl der Bewerbungen scheitert es gar nicht“, meint Schappelwein, „aber viele, die schon eine Zusage haben, bekommen dann kalte Füße“. Weil ihnen bis dahin nicht klar war, dass sie im Schichtdienst arbeiten müssen, also etwa auch um vier Uhr in der Früh anfangen müssen. „Das ist dann für viele nicht so einfach.“ Auch die Sprachbarriere sei für viele Bewerber ein Thema. „Aber wir arbeiten da schon an mehrsprachiger Nachhilfe.“
Mit verschiedenen Arbeitszeitmodellen will man die Dienste flexibler machen – zuletzt war etwa davon die Rede, die 37,5 Stunden pro Woche auf vier Tage aufzuteilen – allerdings nicht im Fahrdienst. Aber etwa im Werkstattdienst könnte das ein Modell sein, denn auch dort werden Mitarbeiter gesucht, vom Kfz-Techniker bis zum Gleisbauer.

Studierende als U-Bahn-Fahrer

Für die Bewerber im Fahrdienst gibt es eine dreimonatige Ausbildung, in der man auch ein Gehalt bekommt. Sogar bezahlte Lernzeiten sind dabei eingerechnet. Man wolle es den künftigen Mitarbeitern jedenfalls möglichst angenehm machen.
Doch bis man genügend neue Fahrerinnen und Fahrer gewonnen hat, muss man eben auch andere Wege beschreiten. Etwa mit Studierenden, die im Sommer die Ausbildung in der U-Bahn machen, damit sie ab Herbst als Teilzeitkräfte eingesetzt werden können. Und nun versucht man eben auch, ehemalige Mitarbeiter zurück in Straßenbahnen und Busse zu bekommen.

VON ERICH KOCINA

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